Buchempfehlung „You Are Not Save Here“

In dem Roman „You Are Not Save Here“ von Kyrie McCauley, der 2020 erschienen ist, geht es um die 17-jährige Leighton, die nichts lieber tun würde, als Auburn, die Stadt, in der sie lebt, für immer zu verlassen.

Gemeinsam mit ihren beiden jüngeren Schwestern und ihrer Mutter lebt sie in einem Haus abseits der Stadt – und ihrem Vater. Ihr Leben könnte beinahe als das eines gewöhnlichen Teenagers durchgehen, wenn er nicht wäre. Überschreitet die Wut ihres Vaters einen bestimmten Punkt, beginnt er, das Inventar des Hauses zu zerstören. Nicht selten geraten dabei auch Leightons Mom und die Mädchen selbst in seine Schusslinie.

Sich in einer dieser Situationen Hilfe von der Außenwelt zu besorgen, ist allerdings leichter gesagt als getan. Ihr Dad erlaubt keiner der Frauen, ein eigenes Handy zu besitzen, mit dem sie ihn verraten könnten, und auch auf die einzige Nachbarin in der Straße ist kein Verlass. Wie jeder in Auburn sieht sie lieber weg und ignoriert die Dinge, die sie mitbekommen hat, statt einzugreifen.

Diese Art, die Augen vor der Gewalt zu verschließen, ist es, was Leighton die Stadt hassen lässt. Daher wünscht die sich nichts mehr, als nach ihrem Abschluss an einem College so weit wie möglich von Auburn weg aufgenommen zu werden. Doch einfach zu gehen kommt für sie nicht in Frage. Immerhin brauchen ihre jüngeren Schwestern und ihre Mutter Leightons Unterstützung, wenn ihr Vater mal wieder ausrastet. Für Leighton steht fest: Sie braucht einen Plan, denn sie kann nicht von zu Hause fortgehen, ohne ihre Familie in Sicherheit zu wissen.

Mit Beginn von Leightons letztem Schuljahr in Auburn lassen sich die ersten Krähen in der kleinen Stadt nieder, die Leighton und ihren Schwester jedoch nur zu willkommen sind. Während der Krähenbestand zu einer wahren Plage ansteigt und sich die Situation zu Hause immer weiter zuspitzt, verstreicht gleichzeitig Leightons Zeit, eine Lösung zu finden, ihre Schwestern ohne schlechtes Gewissen fürs College zurückzulassen. Wird sie es schaffen, ihre Familie und sich selbst zu retten, bevor die Lage eskaliert?

Textausschnitt:

„Wir schwänzen die Hälfte der ersten Stunde auf dem Schulparkplatz und ich erzähle Liam eine Kurzversion der Ereignisse von letzter Nacht. Er flucht ein paarmal leise, aber ansonsten unterbricht er mich nicht. Bis ich erzähle, dass sie kein Kontaktverbot will.

„Sie will es nicht mal versuchen?“

„Nope. Sie hat gemeint, sie muss über vieles nachdenken.“

„Was soll das denn bitte heißen?“

„Dass wir alle wieder zurückkehren werden. Am Sonntag.“

„Ich verstehe nicht, wie du dabei so ruhig bleiben kannst, Leighton.“

Für mich ist diese ganze Leier vielleicht uralt, aber er kennt sie noch nicht. Den Terror, die Erleichterung und die Erkenntnis, dass sich nichts geändert hat. Wieder mal. Das immer wiederkehrende alte Lied, aber Liam hat es noch nie gehört.

„Tut mir leid, ich nerve.“

„Du nervst nicht, Leighton. Schließ mich nur einfach nicht aus, okay?“

„Ja, ich hör auf. Tut mir leid. Abwehrmechanismus.“

Er beugt sich herüber. „Das wird schon. Wir werden eine Lösung finden.“

„Ja, gut. Lass uns nur erst den Schultag überstehen.“

„Einverstanden“, sagt er und lässt meine Hand los. Ich will noch mal nach seiner greifen, halte mich aber zurück. Wir werden keine Lösung finden. Das hier ist nicht sein Chaos. Ich werde eine Lösung finden.

Ein paar Stunden später lasse ich das Mittagessen aus und schleiche mich stattdessen ins Zeitungsbüro. Ich brauche ein paar Minuten der Ruhe – und Zurückgezogenheit –, um ein bisschen zu recherchieren. Ich gebe „Kontaktverbotsregeln in Pennsylvania“ ein und drücke auf Enter. Dann scrolle ich eine halbe Stunde lang. Ich lese Beispiele von Kontaktverboten. Worte wie „krankenhausreif“ und „Platzwunden“ wandern über den Monitor. Die Bilder sind erschreckend. Körper, die mehr Prellungen als normale Haut zeigen. Und ich spüre, wie er langsam in mich hineinkriecht, so wie er das immer tut: der Zweifel.

Wann immer das Thema in den Nachrichten auftaucht, ist die fast unmittelbare Reaktion der Leute, die Situation herunterzuspielen. Nach Ungereimtheiten zu suchen. Sich zu fragen, wie es sich auf die Männer auswirkt, wenn wir plötzlich alle den Frauen glauben, die sagen, dass sie misshandelt wurden oder Angst haben. Und ich habe panische Angst davor, dass sie das Gleiche bei mir tun könnten, wenn ich etwas sage. Dass sie fragen, wie ich es wagen kann, seinen Ruf zu ruinieren wegen nichts als ein paar harmloser Vergehen. Dass sie sagen, ist doch alles gar nicht so schlimm. Dass ich überreagiere.

Oder vielleicht ist es sogar noch viel simpler. Dass sie einfach von mir erwarten zu akzeptieren: So ist das nun mal.

Vielleicht ist Angst ja der Preis, den Frauen dafür bezahlen müssen, überhaupt auf der Welt sein zu dürfen.“

Meine Meinung:

Am meisten mag ich den mitreißenden Schreibstil des Romans. Beim Lesen kann man sich dadurch bereits ab der ersten Seite mühelos in die Protagonistin Leighton hineinversetzen und spürt ihre Angst und ihr Unwohlsein, als wären es die eigenen Empfindungen. Denn meiner Meinung nach muss man gerade bei wichtigen Themen wie häuslicher Misshandlung genau das tun: Sich in die Opfer hinein versetzen. „You Are Not Save Here“ zeigt sehr gut, dass es nicht nur eine einzige Art von häuslicher Misshandlung gibt, sondern sie von Fall zu Fall variiert. Manchmal ist es daher gar nicht leicht, die Lage richtig einzuschätzen, gerade dann nicht, wenn der Vater wie in Leightons Fall nicht ausschließlich als böser Mensch abzustempeln ist, sondern auch seine netten, liebevollen Seiten hat. Welche fatalen Auswirkungen es nach sich ziehen kann, als außenstehende Person dennoch wegzusehen und so zu tun, als hätte man nichts bemerkt, ist genau wie in dem Roman niemals die richtige Lösung. „You Are Not Save Here“ verdeutlicht, dass man dennoch nicht aufgeben sollte. Durch die Hilfe anderer kann man es schaffen, die Sicherheit zu bekommen, die man verdient hat.

Der Roman ist in der Bücherei unserer Schule für Schülerinnen und Schüler ab dem siebten Schuljahr ausleihbar.

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