Herr Daniel hat 2003 hier am Martin-Butzer-Gymnasium sein Abitur gemacht und ist derzeit Nord- und Mittelamerika-Korrespondent im ZDF-Studio in Washington. Im Rahmen der Preisverleihung zum Abschluss der Aktionswochen und der Titelverleihung „Schule gegen Rassismus – Schule mit Courage“ hielt er als Pate am 03.03.2023 eine Rede in unserer Schule. Ich habe die Gelegenheit ergriffen, um für euch mehr über Herrn Daniel, seinen Werdegang und seine Arbeit beim ZDF zu erfahren.
StilEcht: „Wie haben Sie Ihre eigene Schulzeit hier am MBG in Erinnerung?“
Herr Daniel: „Als sehr gut. Rückblickend finde ich, dass es eine sehr schöne Zeit war. Ich habe hier Freunde fürs Leben gefunden, mit denen ich immer noch eng verbunden bin. Ich hatte tolle Lehrerinnen und Lehrer, die mir unter anderem nachhaltig geholfen haben, den richtigen Moralkompass zu finden. Es war also eine gute Zeit hier an der Schule, die mir wirklich positiv in Erinnerung geblieben ist.“
StilEcht: „Welche Leistungskurse hatten Sie damals?“
Herr Daniel: „Meine Leistungskurse waren Englisch, Sozialkunde und Chemie. Vor allem Englisch und Sozialkunde haben mich inhaltlich erfüllt, so dass ich schließlich auch Politikwissenschaft und Amerikanistik studiert habe. Durch den Unterricht hier in der Schule fühlte ich mich auch gut darauf vorbereitet. Meine Englisch-Lehrerin war Frau Reuters, eine Amerikanerin. Das war für mich sehr schön und ich denke, dass sie sich ebenfalls darüber gefreut hat, insgesamt drei Schülerinnen und Schüler in der Klasse zu haben, die ein Austauschjahr in den USA absolviert haben.“
StilEcht: „Haben Sie sich schon immer für Politik interessiert? Wie kam es zu Ihrer Faszination für das politische Weltgeschehen?“
Herr Daniel: „Ich habe mich schon immer für Politik interessiert, was durch den Leistungskurs in der Oberstufe zusätzlich gefördert wurde. Außerdem haben meine Eltern mich schon früh mit in zahlreiche Urlaube genommen. So wurde in jungen Jahren mein Drang geweckt, andere Menschen, Kulturen und politische Systeme kennenzulernen. Ich hatte außerdem Freundinnen und Freunde, die ebenfalls an Politik interessiert waren. Das hat zusätzlich geprägt. Dieser Keim, das Interesse, waren also schon früh geweckt und glücklicherweise habe ich das weiterverfolgen können.“
StilEcht: „Wie Sie eben bereits angesprochen haben, haben Sie durch einen Austausch einige Monate an einer Highschool in Texas verbracht. Warum haben Sie sich damals für die USA entschieden? Was hat Sie an den USA am meisten interessiert oder fasziniert Sie noch immer?“
Herr Daniel: „Ich denke, es geht vielen so, dass man sich die USA – gerade, wenn man noch nie zuvor dort gewesen ist – als faszinierendes, facettenreiches Land vorstellt, was vor allem die Natur, die politische Landschaft und den kulturellen „Melting Pot“ anbetrifft. Ein Spiegelbild der USA gibt es meines Erachtens nicht auf der Welt. Ich glaube, für Europäer und vor allem für Deutsche sind die USA ein reizvolles Land, gerade auch weil die Sozialisierung ähnlich ist. Das klingt jetzt zwar ein bisschen pathetisch, doch ich hatte damals, im Alter von sechzehn Jahren, das Gefühl, dass in den USA alles möglich ist. Man hört und liest ja ständig vom „American Dream“, vom Tellerwäscher zum Millionär. Das sind zwar mittlerweile auch ein Stück weit abgegriffene Klischees, aber es ist auch heute noch etwas Wahres dran. Unter anderem deshalb standen die USA für mich immer schon stellvertretend für ein Land der großen Möglichkeiten und Freiheiten, das mich angezogen hat.“
StilEcht: „Wollten Sie zu Ihrer Schulzeit bereits Journalist werden? Wenn Ja, was hat Sie dazu bewogen?“
Herr Daniel: „In der neunten Klasse absolvierte ich mein obligatorisches Praktikum beim SWR in Mainz. Damals hieß die Redaktion noch „Rheinland-Pfalz aktuell“, heute heißt sie „SWR aktuell Rheinland-Pfalz“. Frau Stegegast hatte mein Praktikum damals betreut. Das war für mich eine unglaublich spannende Zeit. Ich habe zum Beispiel die Radio-Moderatorinnen und -Moderatoren kennenlernen dürfen. Dann durfte ich auch bei der Sport-Redaktion mal reinschnuppern, durfte mit ins Stadion auf dem Betzenberg fahren – da spielte der FCK noch in der ersten Liga. Mich hat das alles sehr beeindruckt. Zu dieser Zeit habe ich also begonnen, mich für das journalistische Handwerk zu interessieren.“
StilEcht: „Wie ist es nach Ihrem Abitur weitergegangen? Sie erwähnten bereits, dass Sie Politikwissenschaft und Amerikanistik studiert haben.“
Herr Daniel: „Genau. Ich wollte eigentlich möglichst weit weg vom Westerwald. Heute ist es übrigens genau umgekehrt. Ich würde gerne wieder hierherziehen, was jetzt im Moment zwar noch nicht möglich ist, aber irgendwann hoffentlich. Ich wollte damals gerne nach Berlin oder New York oder in irgendeine andere Weltmetropole. Es hat mich schon immer in die Ferne gezogen, gerade auch nach meinem Austauschjahr in Texas. Dann hatten wir leider einen unerwarteten Todesfall in der Familie und ich entschied mich dazu, doch in der Nähe zu bleiben und bewarb mich an der Uni Mainz, wo ich zum Glück direkt einen Studienplatz bekommen habe.“
StilEcht: „Wie ist es nach Ihrem Studium weitergegangen?“
Herr Daniel: „In den Semesterferien habe ich ein paar Mal wochenweise bei der Firma Schütz in Selters gearbeitet, um Geld zu verdienen. Im dritten Semester dann habe ich mich auf ein Praktikum beim ZDF, genauer bei der Sendung „hallo deutschland“ beworben. Die Arbeitsweise, in kurzer Zeit viel leisten zu müssen, dann aber auch unmittelbar danach das Resultat zu sehen, Feedback zu bekommen; das fand ich großartig. Die Präzision, das journalistische Handwerk, das Zwei-Quellen-Prinzip – also die journalistische Arbeitsweise hat mich begeistert. 2006 brauchte das ZDF dann jemanden, die oder der von zehn Uhr abends bis sechs Uhr morgens fünfunddreißig Nächte am Stück die Spiel-Zusammenfassungen der Fußball-Weltmeisterschaft für die „heute“-Sendungen während der Nacht fertigt. Das wollte wegen der Arbeitszeiten niemand machen. Und so bot mir der damalige Personalchef der aktuellen Sendungen diesen Job an. Die Kolleginnen und Kollegen haben mir in dieser Zeit viele Tipps gegeben und ich konnte gleich im Anschluss daran im ZDF weitermachen. Ich arbeitete für die „heute“-Nachrichten, anschließend bei der Kindersendung „logo!“ und schließlich bei der Außenpolitik. Dort habe ich dann anderthalb Jahre ein Trainee-Programm, also eine journalistische Ausbildung absolviert. Meine Stationen damals waren die Außenpolitik, die Innenpolitik sowie das Studio in Washington. Danach habe ich meine erste feste Stelle bekommen.“
StilEcht: „Derzeit sind Sie ja Washington-Korrespondent des ZDF. Wie können wir als Schülerinnen und Schüler uns Ihre Arbeit vorstellen?“
Herr Daniel: „Das ist schwer, pauschal zu beantworten, denn jeder Tag ist anders. Es hängt von vielen Faktoren ab, natürlich zuvorderst vom aktuellen Tagesgeschehen, das sich jede Minute ändern kann. Unser Berichtsgebiet geht von Kanada bis runter zum Panamakanal, es umfasst auch Alaska und Hawaii, die Karibik und Mittelamerika. Meistens ist es die „harte Politik“, die Mainz und Berlin für die Sendungen interessiert. Manchmal kann es aber auch ein Tornado in Kentucky sein, oder ein Erdbeben in Mexiko. Genauso gut gibt es auch Tage, an denen aktuell nicht viel los ist. Dann arbeitet man entweder Verwaltungsaufgaben ab, wie Dienstreise-Abrechnungen oder man widmet sich Mittel- oder Langfristprojekten. Ich arbeite beispielsweise im Moment an einer Dokumentation zum Thema „LNG“, also Flüssiggas. Nach Putins Überfall auf die Ukraine versucht Deutschland, sich zunehmend unabhängig von russischem Gas zu machen und hat zahlreiche neue Verträge mit US-Firmen geschlossen. Dazu drehen wir zurzeit in Texas und Louisiana. Andere Tage wiederum sind zwar sehr intensiv, aber auch gut planbar. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Präsidentschafts-, oder Zwischenwahlen anstehen. Da kann es auch schon mal sein, dass man von morgens um sechs Uhr bis abends um zwölf im Einsatz ist. In solchen Fällen arbeiten wir meist in Schichten.“
StilEcht: „Das heißt, Sie berichten immer über das, was gerade ansteht, oder gibt es auch feste Themengebiete, die Ihnen zugeordnet sind?“
Herr Daniel: „Der Großteil dessen, was wir liefern, sind politische Analysen und Einordnungen. Man muss aber in der Lage sein, jedes Thema in kurzer Zeit abbilden zu können. Jetzt stehen beispielsweise die Oscars an. Im Rahmen dessen geht es unter anderem um den deutschen Film „Im Westen nichts Neues“, über die Stars und Sternchen oder das Prada-Kleid einer Hollywood-Größe. Das gehört auch zur Berichterstattung dazu. Genauso geht es aber auch mal um Korruption in Guatemala oder die Innenpolitik von Ron DeSantis in Florida. Es gibt also ein Füllhorn an Themen und man muss eigentlich immer überall mehr oder weniger eingelesen sein. Man könnte also im Prinzip den ganzen Tag lang die „Washington Post“ oder die „New York Times“ lesen, „CNN“ oder „Fox News“ ansehen und hätte immer noch gewisse Lücken. Da muss man manchmal abwägen, wo man den Finger stets am Puls hat und wo man es sich auch mal leisten kann, nicht jedes Update genauestens zu verfolgen. In jedem Fall ist es wichtig, dass man stets auch im Bilde ist, wie die amerikanischen Medien Vorgänge einordnen und welche Meinungen die verschieden „Player“ haben.“
StilEcht: „Gibt es auch ein Themengebiet, oder mehrere Themengebiete, die Sie besonders interessieren?“
Herr Daniel: „Politik – wenig überraschend – interessiert mich sehr und insbesondere die Verfassung der Demokratie in den USA. Dazu zählen auch die Angriffe auf Selbige und der Versuch, die Demokratie auf verschiedenen Ebenen auszuhöhlen. Das machen manche Republikanerinnen und Republikaner leider ziemlich erfolgreich, und zwar nicht nur auf Bundesebene. Im Moment versuchen sie strategisch zwei wichtige Posten innerhalb der jeweiligen US-Bundesstaaten mit ihren Leuten zu besetzen, nämlich die Gouverneurinnen und Gouverneure, sowie die Innenministerinnen und Innenminister. Sie haben eine Schlüsselrolle bei Wahlen und deren Zertifizierung. Außerdem ist momentan ein Fall aus North Carolina vor dem Supreme Court anhängig. Da möchten einige Republikanerinnen und Republikaner durchsetzen, dass grundsätzlich nicht mehr Gerichte das letzte Wort haben, wenn es um Streitigkeiten rund um das Wahlrecht geht, sondern die absolute Macht künftig bei den Parlamenten liegt. Das wäre meiner Meinung nach de facto die Abschaffung der Demokratie. Das sind also zwei Themen, die ich aktuell intensiv verfolge.“
StilEcht: „Wie sieht eigentlich Ihr Alltag in den USA aus? Gibt es große Unterschiede zu Ihrem Alltag in Deutschland von früher?“
Herr Daniel: „Eigentlich gibt es im privaten Alltag keine allzu großen Unterschiede. Ich bin junger Familienvater, das heißt, jede freie Minute, die ich habe, verbringe ich mit meiner Frau und meinen Kindern und wir gehen gemeinsam spazieren, in Parks oder auf Spielplätze. Was die Arbeit angeht, ist es handwerklich auch vergleichbar mit meinen vorigen Stellen in Deutschland. Man recherchiert – bestenfalls vor Ort –, führt Interviews, dreht die entsprechenden Bilder, schneidet sie zu einem Beitrag, vertont ihn und schickt ihn auf den Sendeserver. Die Schlagzahl allerdings liegt in einem Auslandsstudio wie Washington schon deutlich höher. Einen nine-to-five-Job hatte ich zwar vorher in Deutschland auch nicht, aber ich hatte schon geregeltere Arbeitszeiten und weniger Wochenenddienste. Nun ist man gefühlt immer ansprechbar. Das ist vermutlich der größte Unterschied. Wir sind drei Korrespondentinnen und Korrespondenten und wenn etwas „Größeres“ passiert, fällt eigentlich immer mehr Arbeit an, als eine oder einer bewältigen kann. Aber das ist in Ordnung. Es ist Teil des Deals und damit komme ich gut klar.“
StilEcht: „Eine erfolgreiche Journalistin oder ein erfolgreicher Journalist zu werden stelle ich mir sehr schwer vor. Gibt es einen Ratschlag, den Sie den Schülerinnen und Schülern mit auf den Weg geben können, die sich für Journalismus interessieren?“
Herr Daniel: „Zunächst einmal hatte ich Glück, die richtigen Leute, die richtigen Förderinnen und Förderer zum richtigen Zeitpunkt kennengelernt zu haben. Aber ja, ich war sicher auch fleißig und habe viele Jahre meines Lebens stark auf meinen Job beim ZDF ausgerichtet. Wenn es eine Nachtschicht sein sollte, dann war es eben so, und wenn es ins Ausland gehen sollte, auch mal in ein Kriegs- oder Krisengebiet, dann bin ich geflogen. Ich war sehr flexibel, was das anging. Ich denke, man muss darüber hinaus diszipliniert sein und präzise arbeiten. Es ist manchmal anspruchsvoller, als man denken mag, keine Fehler in der Recherche, bzw. Berichterstattung zu machen. Und natürlich ist auch das Interesse an Teamarbeit und am Weltgeschehen wichtig, an Einordnungen und daran, dass man möglichst alle Meinungen zu Wort kommen lässt, auch wenn sie einem persönlich nicht immer passen.“
StilEcht: „Vielen Dank für Ihre ausführlichen Antworten und das spannende Gespräch!“
Herr Daniel: „Sehr gerne. Vielen Dank für die Fragen.“
Dieses Interview wurde am 03.03.2023 von Marie Spohr geführt.
Bilder von Benjamin Daniel.
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