Buchempfehlung: „The Hate U Give“

In dem Roman „The Hate U Give“ von Angie Thomas, der in Deutschland 2018 erschienen ist, geht es um die sechzehnjährige Starr, die mit ihrer Familie in einem schwarzen Viertel aufgewachsen ist. Bereits mit zehn Jahren musste sie mit ansehen, wie eine ihrer besten Freundinnen am helllichten Tag aus einem vorbeifahrenden Auto heraus erschossen wurde. Daraufhin beschlossen ihre Eltern, sie und ihre Brüder an eine Privatschule außerhalb der Stadt, die überwiegend weiße Kinder besuchen, zu schicken, in der Hoffnung, dass ihre Kinder dort sicherer sein werden.
Im Laufe der Zeit hat Starr gelernt, Teil zwei unterschiedlicher Welten zu sein, in denen sie zwei verschiedene Persönlichkeiten auslebt. Die normale Starr, die sich im Kreis ihrer Familie, Freunde und Nachbarn nicht zu verstellen braucht, und die Starr, die in Gegenwart ihrer Schulfreunde immer beherrscht und ausgeglichen wirken muss.
Als sie eines Abends zusammen mit ihrem besten Freund Khalil von einer Party nach Hause fährt, werden die beiden grundlos von einem Polizisten angehalten. Ihre Eltern haben Starr bereits im Kindesalter beigebracht, wie sie sich einem Polizisten gegenüber in einer solchen Situation verhalten soll, um sich nicht selbst zur Zielscheibe für eventuelle polizeiliche Gewalt zu machen. Und trotzdem muss sie mit ansehen, wie Khalil von dem Polizisten vor ihren Augen erschossen wird, ohne auch nur ansatzweise etwas Unrechtes getan zu haben.
In den Medien wird daraufhin behauptet, der Polizist hätte aus Notwehr so handeln müssen. Doch Starr als einzige Zeugin in diesem Fall weiß, dass diese Tat nicht gerechtfertigt war. Nun sieht sie sich einer großen Entscheidung gegenüber gestellt: Soll sie schweigen und unauffällig bleiben, wie es ihr immer beigebracht wurde, oder soll sie sich in Gefahr begeben und für Khalil und die Gerechtigkeit die Stimme erheben?

Textausschnitt:

„Khalil steigt mit erhobenen Händen aus. Hundertfünfzehn zerrt ihn am Arm und drückt ihn gegen die hintere Tür.
Ich habe Mühe, meine Stimme wiederzufinden. „Er wollte doch gar nicht -“
„Hände aufs Armaturenbrett!“, fährt der Polizist mich an. „Keine Bewegung!“
Ich tue, was er sagt, aber meine Hände zittern zu sehr, um ruhig liegen zu bleiben.
Er tastet Khalil ab. „Okay, Klugscheißer, dann wollen wir mal sehen, was wir heute bei dir finden.“
„Sie werden gar nichts finden“, sagt Khalil.
Hundertfünfzehn tastet ihn noch zweimal ab und findet nichts.
„Bleib da stehen“, befiehlt er Khalil. „Und du“, er schaut durchs Fenster zu mir. „Rühr dich nicht.“
Ich schaffe es nicht mal zu nicken.
Dann geht der Beamte zu seinem Streifenwagen zurück.
Meine Eltern haben mir nicht beigebracht, die Polizei zu fürchten, sondern mich in ihrer Gegenwart einfach klug zu verhalten. Sie haben mir beigebracht, dass es nicht klug ist, sich zu bewegen, während ein Cop dir den Rücken zudreht.
Khalil macht genau das. Er kommt zur Fahrertür.
Eine plötzliche Bewegung ist auch nicht klug.
Khalil macht aber genau das. Er öffnet die Fahrertür.
„Starr, bist du okay -“
Peng!
Khalils Körper zuckt. Von seinem Rücken spritzt Blut. Er klammert sich an die Tür, um sich auf den Beinen zu halten.
Peng!
Khalil keucht auf.
Peng!
Khalil sieht mich erstaunt an.
Er stürzt zu Boden.
Ich bin wieder zehn und sehe Natasha fallen.
Ein ohrenbetäubender Schrei dringt aus meiner Kehle, explodiert in meinem Mund und nutzt jeden Zentimeter meines Körpers für seine Resonanz.
Mein Verstand sagt mir, ich soll mich nicht bewegen, aber alles andere drängt mich, nach Khalil zu sehen. Ich springe aus dem Wagen und renne auf die andere Seite. Khalil starrt in den Himmel, als hoffe er, Gott zu sehen. Sein Mund ist wie zu einem Schrei geöffnet. Ich schreie laut genug für uns beide.
„Nein, nein, nein“, ist alles, was ich sagen kann. So als wäre ich erst ein Jahr alt und könnte noch kein anderes Wort. Ich weiß nicht, wie ich neben ihm auf dem Boden lande. Meine Mom hat mal gesagt, wenn jemand angeschossen wird, dann versuch, die Blutung zu stoppen, aber da ist so viel Blut. Zu viel Blut.
„Nein, nein, nein.“
Khalil rührt sich nicht. Sagt kein Wort. Er sieht mich nicht einmal an. Sein Körper verkrampft sich und dann ist er tot. Ich hoffe, er sieht Gott.
Jemand anders schreit.
Ich blinzle gegen meine Tränen an. Der Polizeibeamte Hunderfünfzehn schreit mich an und zielt mit derselben Waffe auf mich, mit der er gerade meinen Freund getötet hat.
Ich hebe die Hände.“

Meine Meinung:

Ich finde den Roman „The Hate U Give“ sehr bewegend, denn durch die Schreibweise in der Ich-Perspektive bekommt man einen genauen Einblick in Starrs Gefühlswelt. Dadurch kann man auch ihre Entwicklung, die ich sehr bemerkenswert finde, von dem schweigenden Mädchen zu derjenigen, die die Stimme für die Gerechtigkeit erhebt, im Detail mitverfolgen. Das Thema Rassismus, der in unserer Welt leider nach wie vor präsent ist, wird im Roman gesellschaftskritisch thematisiert. Auch die Probleme, die durch Rassismus für die Betroffenen und ihre Bekannten entstehen und welche Folgen sie haben können, werden so dargestellt, dass es nicht nur sehr realitätsnah, sondern vor allem richtig unter die Haut geht und den Leser wachrüttelt.
Ich empfehle den Roman Jugendlichen ab zwölf Jahren.

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