„54 Minuten“ ist ein Buch von Marieke Nijkamp. Sie wurde am 23 Januar 1986 in den Niederlanden geboren und ist dort aufgewachsen. Sie hat Philosophie und Geschichte studiert und spricht circa ein dutzend Sprachen. 2016 veröffentlichte sie ihren Roman „54 Minuten“. Dieser handelt von einem Amoklauf in einer fiktiven Kleinstadt in Amerika. Dort erschien das Buch unter dem Titel „This is where it ends“, und blieb dort über ein Jahr lang in den Top-10 der New-York Times.
Um Punkt zehn Uhr beendet die Direktorin den letzten Satz ihrer Begrüßungsrede, alle wollen aus der Aula raus und in ihren Unterricht gehen. Doch die Türen sind verschlossen, einer beginnt zu schießen. Es ist Tyler, der Außenseiter, der die Schule verlassen hat und sie nun angreift und alle fertig, macht die ihm jemals Unrecht getan haben, und er macht vor niemandem halt. Er schießt auf Schüler, Lehrer und selbst auf seine eigene Schwester. Der Roman ist sehr spannend geschrieben, da er aus 4 verschiedenen Perspektiven geschrieben ist, die sehr verschieden sind, aber alle durch Familie oder Freundschaft verbunden sind.
Textausschnitt (aus Sylvs Perspektive, als das Massaker losgeht):
Tyler ist wieder
da. Tyler ist wieder da.
Tyler ist wieder da.
Dieser Refrain
pocht laut durch meinen Kopf, ebenso wie die nächsten Schüsse, die
durch die Aula hallen. Tyler ist wieder da. Die Worte reizen mich zum
Erbrechen und führen dazu, dass ich mich unter dem Sitz verkriechen
will. Wieder erstarre ich vor Schreck, genauso wie bereits vor ein
paar Monaten.
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht,
wohin flüchten. Autumn und ich sind auf der anderen Seite des Gangs,
nur ein paar Reihen unterhalb von Tyler. Zu weit von den
Seitenflügeln entfernt, um es dort hinaus zu schaffen. Zu weit
unten, um unbemerkt nach oben zu den Türen zu gelangen. Von allem zu
weit entfernt.
Um uns herum macht sich Panik breit. Schreie
hallen mir in den Ohren wider. Die Lehrer in der Nähe der Türen
versuchen sich Tyler zu nähern, doch er knallt zielstrebig einen
nach dem anderen ab, wie alle anderen, die ihm zu nahe kommen. Bei
jedem Schuss zucke ich zusammen. Wir sind nicht nah genug, um die
Gesichter der Lehrer zu erkennen, und dafür bin ich fast schon
dankbar. Er hat sie einfach so kaltgemacht. Ah Dios. Das darf nicht
wahr sein.
Die Schüler steuern auf die anderen Türen zu,
drängen vorwärts, doch keiner verlässt den Raum.
Tyler ist
wieder da.
Manche rennen hilfeschreiend durch die Sitzreihen. Ein
Schüler und eine der Schülerinnen von auswärts liegen vor Tyler
ausgebreitet auf den Klappsitzen. Der Junge hat noch den Rucksack
über der Schulter, während sein Blut bereits mit dem des Mädchens
zusammenfließt.
Ich kann mich nicht rühren.
Bekomme keine
Luft.
Auf der Bühne versammeln sich alle um Direktorin Trenton,
die Lehrer, ihre Sekretärin. Mr. Jameson, unser aller Lieblings
Englischlehrer, kniet neben Mrs. Trenton und versucht das Blut zu
stillen, aber sie ist am Kopf getroffen, und was da herausläuft, ist
nicht nur Blut, sondern ihr Hirn. Hinter ihnen flüchten sich ein
paar vom Chor zu den Seitenflügeln, wo die Umkleidekabinen und die
Lichtanlage untergebracht sind. Ms Smith, eine ältere
Bibliothekarin, schleicht sich zum zweiten Notausgang an der Seite
der Aula. Oder besser gesagt, sie humpelt langsam und gepeinigt, weil
sie erst letztes Jahr eine Hüftoperation hatte. Den Rücken Tyler
zugewandt, bewegt sie sich scheinbar vollkommen angstfrei. Sie ist
dreiundsiebzig. Ihre jüngste Tochter ist gerade wieder schwanger
geworden, und ihr ältester Enkel wird heute elf. Sie hat ihr ganzes
Leben im selben Haus in derselben Straße gewohnt. Erst gestern hat
sie ein frischgebackenes Brot für Mamá vorbeigebracht, so wie jeden
Sonntag. Als ich einmal krank war, hat sie mir Hühnerbrühe gekocht.
Nein. Nein. Nein. Nein.
Dios te salve, Maria, llena eres de
gracia: el Señor es contigo. Bendita tu eres entre todas las mujeres
y benedito.
Mein Blick schweift wieder zu Tyler. Seine Haarfarbe
gleicht so sehr der von Autumn, dass mir übel wird. Du wirst dich
noch an mich erinnern. Ich habe ihn nie vergessen können. Mit seinem
Blick streift er die Menge, verharrt nah bei der Tür, wo alle vor
ihm zurückweichen. Selbstsicher hält er die Pistole. Tyler ist wild
entschlossen, vollkommen treffsicher. Selbst Abuelo könnte ihm nicht
beikommen.
Er richtet die Waffe auf die Bibliothekarin und drückt
ab.
Sie tritt von der Tür zurück und sackt zusammen. Mit der
freien Hand schiebt er sich eine Haarsträhne unter die Mütze
zurück.
Autumn stellt sich vor mich, als wolle sie mich
schützen, dabei sollte ich sie beschützen. Dios te salve, Maria …
Die Worte schmecken befremdlich in meinem Mund. Ich weiß nicht mehr,
was dann kommt. Ich zittere am ganzen Leib und kann nicht mehr
aufhören.
Verwirrt stolpert eine Neuntklässlerin an mir vorbei
durch die Reihe. Einer der Sportler zieht sie am Arm, aber es gibt
keinen Ausweg. Sie schreit und hämmert mit den Fäusten gegen seine
Brust. Er hält sie fest an sich gedrückt.
Autumn wendet sich
mir zu, doch obwohl ich sehe, dass sich ihre Lippen bewegen, verstehe
ich nicht, was sie sagt.
Alles, was ich mitbekomme, ist das
überraschte Lächeln auf Mrs. Trentons Gesicht, als die Kugel sie
trifft, und das Entsetzen derjenigen um sie herum, die herbei
gestürzt sind, um ihr zu helfen. Ich höre Stöhnen und Weinen und
Schreien. Tod. Sterben. Blut überall.
Tyler ist wieder da.
Meine Meinung:
Ich finde das Buch echt richtig gut geschrieben, da es vier verschiedene Personen sind, von denen die Geschichte erzählt wird, und man tief in ihre Gedankengänge blicken kann. Einmal Autumn, die Schwester von Tyler, und Sylv, ihre Freundin, die beide in der Aula gefangen sind. Dann Tomás, der Bruder von Sylv, er musste Nachsitzen und war deshalb nicht in der Aula. Und noch Claire, sie ist im Laufteam und übt draußen auf dem Sportplatz. Und dadurch, dass Tyler so hasserfüllt ist, weiß man nie, wen er als nächstes erschießt, was es noch spannender macht.
WICHTIG: Das Buch ist nicht für alle Altersklassen geeignet und ist in unserer Bücherei erst ab der 7ten Klasse ausleihbar.
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